Hintergrund: Warum müssen wir „klimaneutral“ werden?
Der Klimawandel ist messbar: 2020 lagen die Durchschnittstemperaturen in Europa um 2,16 Grad C über dem langjährigen Mittelwert, 2023 waren es 2,15 Grad. In Deutschland wurde 2023 das wärmste Jahr seit Beginn der Temperaturaufzeichnungen im Jahr 1881 gemessen.
Grund für diese Erwärmung sind Treibhausgase in der Atmosphäre – das sind u.a. Kohlendioxid, Lachgas, Methan und Ozon. Sie absorbieren die von der Erdoberfläche abgestrahlte Sonnenwärme, halten sie in der Atmosphäre und verhindern, dass sie in den Weltraum entweicht.
Die Gase kommen auch in der Natur vor; aber durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe wie Öl (zum Beispiel zur Energiegewinnung und im Verkehr) nimmt ihre Menge immer weiter zu. So entsteht der menschengemachte Treibhauseffekt.
Den weitaus größten Anteil an den Treibhausgasen (88%) hat Kohlendioxid, also CO2 . Darum steht CO2 oft im Mittelpunkt der Klimadiskussion.
Um die Erderwärmung zu bremsen, müssen also Emissionen dieser Gase verringert oder ganz verhindert werden – und zwar von allen Akteuren: der Wirtschaft, der Politik, den Verbrauchern. Möglich ist das zum Beispiel durch die Nutzung regenerativer Energien aus Wind und Sonne, aber auch durch ein verändertes Konsumverhalten zugunsten wenigeren und/oder nachhaltig erzeugten wiederverwertbaren und langlebigen Produkten.
Treibhausgasemissionen, der Klimawandel und die Folgen
Die Treibhausgasemissionen – und damit der Klimawandel – hat schwerwiegende Folgen für den ganzen Planeten. Dazu zählen extremere Wetterereignisse, das Abschmelzen von Polkappen und Gletschern, der Anstieg des Meeresspiegels und die Versauerung der Ozeane. Viele Aktivitäten, die Treibhausgase emittieren, haben auch andere schädliche Auswirkungen auf die Umwelt: Luftverschmutzung, die Verschwendung natürlicher Ressourcen und die Zerstörung von Lebensräumen und der Artenvielfalt. Indem wir klimaneutral werden, mildern wir die negativen Auswirkungen des Klimawandels und tragen zum Schutz von Umwelt und der biologischen Vielfalt bei.
Das bedeutet Klimaneutralität
Treibhausgase vermeiden, verringern und klimaneutral werden: Das ist nicht nur das Ziel der EU bis 2050, sondern auch von Unternehmen und ganzer Gemeinden. In Deutschland wollen Städte, darunter Wuppertal, Görlitz oder München, bis 2035 klimaneutral werden.
Klimaneutral bedeutet im allgemeinsten Sinne, dass menschliches Handeln das Klima nicht beeinflusst. Es dürften eigentlich nur so viele Treibhausgase in die Atmosphäre freigesetzt werden, wie die Natur z.B. durch Wälder, Ozeane und Böden absorbieren kann. "Klimaneutral" zu sein bedeutet also: Es geht um alle Klimagase, nicht nur um CO2. „CO2-neutral“ ist damit nicht das gleiche wie „klimaneutral“.
Allerdings ist „klimaneutral“ kein geschützter oder gesetzlich definierter Begriff. Die Klimaneutralität von Unternehmen oder Produkten wird daher oft individuell interpretiert.
Kompensation bedeutet nicht, Klimagase zu vermeiden
Klimaneutralität wird nicht nur durch die Vermeidung von Emissionen angestrebt, sondern auch durch die sogenannte Kompensation. Das heißt: Emissionen, die z.B. in Unternehmen entstehen, werden an anderer Stelle der Welt rechnerisch und finanziell ausgeglichen, z.B. durch Wiederaufforstungsprojekte. Dabei werden alle Treibhausgase einbezogen und in sogenannte CO2-Äquivalente (CO2e) umgerechnet – quasi die „Währung“ zur Angabe des Treibhauspotenzials. Das ist auch der Grund, warum die Begriffe "klimaneutral" und "CO2-neutral" oft synonym benutzt werden.
- „Klimaneutral“ heißt nicht zwingend „emissionsfrei“.
- „Klimaneutral“ ist umfassender als „CO2-neutral“, denn es berücksichtigt außer CO2 auch weitere Treibhausgase.
- Kompensationsmaßnahmen mindern nicht den aktuellen Ausstoß von Klimagasen, sondern gleichen ihn aus und zeigen erst langfristig Wirkung.
Was bedeutet klimaneutralisiert?
Tatsache ist aber auch: Nicht alle Klimaemissionen sind (derzeit) vermeidbar. Dann ist eine Kompensation, also die nachträgliche „Neutralisierung“, eine sinnvolle Option.
Transparenter ist deshalb der Begriff "klimaneutralisiert": Er macht klar, dass Treibhausgas-Emissionen entstehen, aber dass dieser Fußabdruck durch andere Maßnahmen nachgelagert ausgeglichen wird – z.B. durch Umweltprojekte, die eine gleiche Menge Emissionen aus der Atmosphäre aufnehmen. Die Aufforstung von Wäldern oder der Ausbau erneuerbarer Energien leisten hier z.B. einen wertvollen langfristigen Beitrag.
Klimakompensation – darum sind Standards so wichtig
Unternehmen, die klimaneutral oder -neutralisiert arbeiten wollen, müssen zunächst die eigenen Treibhausgas-Emissionen ermitteln. Initiativen wie Science Based Targets unterstützen Unternehmen dabei, ihre Ziele für die Reduzierung von Emissionen auf wissenschaftlicher Basis festzulegen.
- Für die Bilanzierung der Emissionen wiederum kommen in Deutschland vor allem die DIN ISO 14064-1 und der Corporate Standard des Greenhouse Gas Protocols (GHG Protocol) zum Einsatz.
Entsprechend müssen dann Ausgleichsmaßahmen geplant und geprüft werden. Auch hier spielen Zertifizierungen und Standards neutraler Organisationen eine große Rolle: Sie sollen unter anderem sicherstellen, dass Kompensationsprojekte langfristig wirksam sind, dass Emissionen gerecht ausgeglichen werden und vor allem: dass durch diese Maßnahmen keine neuen Emissionen entstehen.
- Solche Standards setzen unter anderem der Clean Development Mechanism der Vereinten Nationen (CDM) und der Gold Standard; auch in ihrem Zentrum stehen immer die 17 Nachhaltigkeitsziele der UN. Solche Zertifizierungen sind ein gutes Instrument, um die Wirksamkeit und Nachhaltigkeit einer Kompensationsmaßnahme zu beurteilen.
Klimaneutral vs. klimaneutralisiert: Transparenz bedeutet Glaubwürdigkeit
Wer sich um "Klimaneutralität" oder "Klimaneutralisierung" bemüht, leistet einen Beitrag zum globalen Klimaschutz. Denn wenn sich die Gesamtumweltauswirkungen verringern, profitieren Umwelt, Menschen und die Biodiversität. Beide Konzepte sind daher wichtige Instrumente im Kampf gegen den Klimawandel – auch, wenn die Vermeidung von Klimaemissionen immer Priorität haben sollte.
Entscheidend für die Glaubwürdigkeit von Unternehmen bei Verbrauchern und Partnern wird dabei immer sein, dass sie ihre Maßnahmen transparent machen: Nur so vermeiden sie den Vorwurf des "Greenwashings", mit dem sie sich umweltfreundlicher darstellen als sie eigentlich sind.